Constant Chevillon – Das Gebet

Constant Chevillon

Das Gebet

Constant Chevillon 

Das Gebet ist die einzige, wahre und heilige Magie. Zeremonielle Magie stellt zu oft den Willen in den Dienst des Stolzes. Das Gebet auf der anderen Seite ist ein sehr demütiges streben des endlichen nach dem unendlichen. Eine betende Person gleicht einer Wüste die danach strebt eine Wiese angefüllt mit Blumen zu werden und darüber hinaus fordert sie nichts ein, sondern sie bittet inständig.

Dennoch ignoriert der gewöhnliche Mensch alles, was das Gebet beinhaltet. Für die große Mehrheit der Menschen bedeutet beten, mit den Lippen und manchmal mit dem Herzen Worte zu sprechen, wobei ihre Begeisterung mit der Intensität ihres Verlangens korrespondiert; oder sich im Tempel oder Oratorium zu verbeugen um von einem anthropomorphen Gott gemäß ihrer eigenen Wünsche vollkommen materiell Geschenke ohne Gegenleistung zu erflehen: Gesundheit, Reichtümer, Erfolg in der Liebe. Wir beten heute so wie die Juden zur Zeit des alten Testaments, die hofften die Zwiebeln Ägyptens gegen Manna zu tauschen.

Natürlich ist ein Gebet das um die Güter dieser Welt bittet zulässig. Sich an den gnädigen Vater zu wenden, um Ihn darum zu bitten uns vor der physischen Not zu schützen, ist eine Huldigung seiner Allmacht. Wir vergessen allerdings nur zu oft das Wort des Evangeliums: “Strebe zuerst nach Gottes Königreich und Seine Gerechtigkeit und alles sonst wird Dir gegeben.”

Das Gebet sollte nicht ausschließlich dazu verwendet werden, den niederne Zyklus des Schicksals zu brechen; es ist viel erhabener und edler. Es ist eine übermenschliche Erhebung hoch zur göttlichen Pracht, so wie das Niederknien; es ist unaussprechliche Begeisterung angesichts der unbeschreiblichen Barmherzigkeit.

Um fähig zu sein in dieser Art und Weise zu beten, ist es notwendig im Inneren zur Ruhe zu kommen. Man muss sich von allen bösen Gedanken befreien, sogar von denen die nur negativ sind. Es ist notwendig Gefühl, Verständnis und Vernunft in die Abstimmung mit dem Geist zu legen, um in einen passiven Zustand zu gelangen in dem es ermöglich wird, dass die göttlichen Aktivitäten im Inneren wahrgenommen werden können. Es ist Notwendig Gleichmütigkeit und Kälte abzulegen, um aus dem eigenen Sein ein Brandopfer zu machen und um eine wunderbare Anrufung der Liebe über jegliche menschliche Selbstsucht zu projizieren.

Dann öffnet sich der Kanal zur Glückseligkeit selbst in ihrer Erhabenheit. Zwei Strömungen projizieren sich selbst in Richtung der jeweils anderen. Die Erste, aufsteigende Strömung trägt den Menschen in die Brust Gottes; die Zweite, fällt herab auf die Erde wie ein himmlischer Fluss, um die Seele mit der Ewigkeit zu schwängern. Und dieses endliche Wesen, dieses Nichts, verloren im Ozean des Seins ohne Grenzen und Ort, wird hinaufgetragen in die Grenzen des Absoluten. Eine geheimnisvolle Operation durch die einst Gottes Sohn zum Menschensohn wurde, wiederholt sich selbst in umgekehrten Richtung. Die Entfernung verschwindet. Die menschliche Natur, die in einer unerfindlichen Vereinigung verändert ist, nimmt den Willen Gottes, Seine Gerechtigkeit und Seine Gnade an.

Wenn das Gebet solche Gipfel erreicht, wie unwichtig erscheinen dann die irdischen Dinge! Die Worte von Chrysostom erstrahlen in ihrer Strenge: Einbildung der Einbildung! Alles ist Einbildung! Reichtümer, Einbildung! Ehrungen, Einbildung! Menschliche Macht, Einbildung der Einbildung! Alles verschwindet unter dem aufflammenden Atem des Paraclete, nichts bleibt außer dem immensen Schmelzofen der Liebe:

FONS VIVUS, IGNIS, CARITAS

Sind nur Heilige in der Lage sich selbst in diesen mystischen Verkehr fallen zu lassen, der an die Glückseligkeit angrenzt? Nein. Wenn Friede mit ihm ist, ist jeder Mensch mit gutem Willen in der Lage dorthin zu gelangen, denn jedes Gebet ist heilig, wenn es sich auf den Glauben und die Hoffnung stützt, sogar mit menschlichen Maßstäben gemessen. Oh Du mit demütigen Herzen und reinem Geist, lass dich nicht entmutigen durch die anscheinende Sterilität und Unwirksamkeit deiner Gebete. Wenn Du um weltliche Gefallen bittest, sei nicht überrascht, wenn Du nichts bekommst. Das Königreich CHRISTI ist nicht von dieser Welt, und deine Begierden bedeuten wenig im Vergleich mit dem ewigen Geschenk, welches dir unwissentlich gewährt wird.

Bete deshalb in vollster Begeisterung für dich und für andere; aber vor allem für andere, erinnere dich an die letzte Vision von Dionysios dem Areopagite. Am Abend bevor er gemartert wurde, dachte er im Gefängnis über die Erlösung der Menschheit nach. Jesus kam um ihn zu trösten und sagte zu ihm: “Wenn du für andere betest sollst du erhört werden.” Wenn nun Gott das hundertfach erstatten kann, was als kleinstes Almosen den Armen in seinem Namen gegeben wird, wie wird er erst die Früchte deiner Gebete erstatten? Zu seinem Ruhme.

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